eCall System vorgestellt

Bei Autounfällen ist eine schnelle Reaktionszeit der Rettungskräfte kritisch. Je schneller ein Krankenwagen oder die Feuerwehr am Unfallort eintreffen kann, desto höher ist die Überlebenschance der Unfallbeteiligten. Heute müssen sich die Rettungskräfte noch darauf verlassen, dass andere Autofahrer den kritischen Notruf tätigen. In Zukunft wird das nicht mehr die einzige Möglichkeit sein, die Rettungskräfte zu alarmieren. Das eCall System wird auf den Straßen Europas immer verbreiteter. Dabei wird bei einem Unfall automatisch ein Notruf abgesetzt, damit keine wertvolle Zeit verloren geht und die Chancen auf eine erfolgreiche Bergung der Beteiligten steigt.

Was ist eCall genau?

Schon seit mehreren Jahrzehnten gab es in Deutschland Überlegungen, jedes Fahrzeug mit einem Notfallmechanismus auszustatten. In den 80er Jahren testete die Bundesanstalt für Straßenwesen das Auto-Notruf-System, wonach jedes in Deutschland verkaufte Auto ein Funkgerät verbaut haben sollte. Im Falle eines Unfalls sollten die Insassen des Fahrzeugs durch das Funkgerät die Rettungskräfte verständigen können.

Für das Auto-Notruf-System sollten bundesweit Relaisstationen aufgebaut werden, die im Unfallfall per Funk den Standort des Fahrzeugs sofort ermitteln sollten und den Standort den Rettungskräften übergeben sollten. Dieses Relaisstationennetz waren jedoch sehr teuer, da fast keine dieser Stationen vorhanden war. Der Plan wurde deshalb verworfen, stattdessen wurden die Notrufsäulen an den Rand der Autobahn angebracht. Diese sollten dann trotzdem durch das Auto-Notruf-System ersetzt werden, die Anschaffungskosten pro Auto hätten ungefähr 500 DM betragen. Das System konnte sich allerdings nicht durchsetzen.

Erst im neuen Millennium wurde ein Notruf-System wieder in Angriff genommen. Diesmal nicht deutschland-, sondern europaweit. 2001 wurde im Rahmen des Jugend-Forscht Wettbewerbs eine Technologie vorgestellt, die per Satellitendaten die Unfallstellen kostengünstig und schnell orten konnte. Das Projekt kam allerdings nicht voran, bis die EU Kommission 2011 das Notruf-System zu einer Priorität machte (Public eCall). Durch die Einführung von eCall erhofft sich die EU ein Zehntel weniger Verkehrstote, weil die Rettungskräfte im Schnitt in der halben Zeit eintreffen.1 Große europäische Autohersteller wie BMW, Peugeot oder Volvo veröffentlichten unterdessen eigene Systeme, da sich das europäische Projekt immer wieder verzögerte (Private eCall, siehe hierzu auch die EU-Norm EN 16102).

2016 wurde der Unfallmeldedienst, kurz UMD, veröffentlicht, der als erster seiner Art auf eine App setzte. Durch einen Sensor im Auto wird ein starker Aufprall erkannt, dieser Sensor alarmiert die App auf dem Smartphone, dieses alarmiert automatisch die Rettungskräfte.

In Europa führte Slowenien bereits im Jahr 2015 eCall ein. Schweden und Italien folgten im Jahr 2017. Es ist seit dem 01. April 2018 Pflicht, dass alle in der EU verkauften Neuwagen ein solches System besitzen. Welches Auto davon betroffen ist, hängt davon ab, wann ein Autohersteller vor dem Verkaufsstart seines neuen Modells in Europa eine neue Typenzulassung bekommen hat. Restbestände, die vor dem 01. April 2018 typzugelassen wurden, dürfen weiterhin ohne eCall produziert und verkauft werden. Erst ab 2021 ist damit endgültig Schluss.

Technik und Funktion

Das eCall-System basiert auf Sensortechnik, die bereits standardmäßig in allen Automodellen verbaut ist. Da die Ausstattung von Autos mit Airbags gesetzlich vorgeschrieben ist, kann ein eCall-System ohne Probleme in jedes Auto installiert werden. Die Sensoren, die im Falle eines starken Aufpralls, was oft einen Unfall signalisiert, die Airbags auslösen, aktivieren jetzt auch den eCall.

Bei der Übertragungstechnik kommt eine GSM-Sprachverbindung zustande, da diese die beste Abdeckung in Europa bietet. Ein Inbandmodem überträgt dabei die entsprechenden Unfalldaten via Piptöne, ähnlich wie bei einem Faxgerät. Dies unterscheidet übrigens auch eCall vom russischen ERO-Glonass, bei dem die Daten parallel auch noch per SMS versendet werden.

Sind die Insassen des Unfallfahrzeugs noch bei Bewusstsein und in der Lage, selbst die Rettungskräfte zu rufen, können sie das selbst über das eCall-System tun. Verstreicht jedoch eine festgelegte Zeitspanne ohne eine Reaktion der Fahrzeuginsassen, wird das System selbst aktiv.

In Kooperation mit anderen im Auto verbauten Sensoren sendet eCall automatisch relevante Daten an die Rettungskräfte. Durch die im Auto verbaute Uhr wird der Zeitpunkt des Unfalls übermittelt. Es wird übermittelt, ob der eCall manuell oder automatisch ausgelöst wurde, was den Rettungskräften Aufschluss über den Zustand der Insassen bieten kann. Die Fahrzeugidentifikationsnummer wird ebenfalls übergeben, sowie die Fahrzeugart, das Modell und die Antriebsart. Siehe Details hierzu unter dem nachfolgenden Punkt „Datenschutz“.

Per Satellitenortung durch GPS wird der aktuelle Standort übermittelt, sowie die letzten beiden Standorte, bevor sich der Unfall ereignete. Die Fahrtrichtung des Autos kann so auch ermittelt werden. Das Auto muss also mit entsprechenden GPS-Modulen ausgestattet sein, um die Daten übertragen zu können.

Waren alle Insassen angeschnallt, können durch Sensoren in den Sicherheitsgurten akkurate Angaben über die Personenanzahl gemacht werden.

Sind diese Daten ermittelt, stellen sämtliche Mobilfunkbetreiber ihre Netze kostenlos bereit, um die Daten zu übertragen. So ist es möglich, eine lückenlose und schnelle Datenübertragung zu gewährleisten. Gehen die Daten in der Notrufzentrale ein, müssen die Experten vor Ort über den Einsatz entscheiden. Menge der Einsatzfahrzeuge, Ausrüstung und Route werden auf die Unfallart abgestimmt. Nun können die Rettungskräfte sofort und mit passendem Vorwissen ausrücken und so die Chancen auf eine erfolgreiche Bergung maximieren.

Schleppende Einführung des eCalls

Seit dem Frühjahr 2018 sind gerade einmal 25 neue Fahrzeugtypen mit eCall genehmigt wurden – im Jahresschnitt sind dies etwa 13 Typgenehmigungen. Dies geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der grünen Bundestagsfraktion hervor. Doch woran liegt die schleppende Einführung des eCalls. In einem Bericht auf heise.de äußert der ADAC den Verdacht, „dass die Hersteller die Einführung des eCall bewusst verzögern.“ Ein Grund wäre, dass die zu Grunde liegende Technik des eCalls schon in wenigen Jahren überholt sein dürfte und man deswegen die Investition scheuen würde. Die Autohersteller umgehen dabei die eCall-Pflicht, in dem sie für neue Modelle die Typzulassung älterer Fahrzeugmodelle einfach fortschreiben. Somit besteht die eCall-Pflicht auch für diese Neuwagen nicht.

Nachrüsten bei alten Modellen

Ist das aktuelle eCall-System nicht im Fahrzeug verbaut, ist eine Nachrüstung kein Problem. Passende Notruf-Stecker kosten etwa 50 € und werden in den Zigarettenanzünder gesteckt. Mit einem bluetoothfähigen Handy und der passenden eCall App ist eine Nachrüstung problemlos möglich.

Im Betrieb verursachen eCall-Systeme keine zusätzlichen Kosten. Aktuell ist es möglich, neben Pkws auch Motorräder mit eCall-Systemen auszurüsten. Es gibt hier noch keine Verordnung, nach der neue Motorradmodelle serienmäßig ein solches System verbaut haben müssen, doch die Nachrüstung ist ohne Probleme möglich. Gleiches gilt für Lkws, die ebenfalls noch keine Verordnung besitzen, ein Nachrüsten allerdings unterstützen.

                         

Datenschutz

Bei der Einführung des eCall-Systems hatten einige Datenschützer Bedenken, die ermittelten Daten würden gespeichert und weiterverwendet werden. Das von der EU entwickelte eCall-System unterstützt aber keine Datenspeicherung und übertragt im Falle eines Unfalls nur die notwendigen Unfalldaten. Man spricht hier auch von einem Mindestdatensatz (MSD, minimum set of data, der in der Norm EN 15722 festgelegt ist). Folgende Daten werden dabei übermittelt:1

  • das MSD-Format
  • die Zahl bislang gesendeter Nachrichten
  • Kontrolldaten (ob manuelle oder automatische Aktivierung, Positionsstatus, Anruffunktion, Fahrzeugklasse)
  • 17-stellige Fahrzeugidentifizierungsnummer
  • Antriebsart
  • Zeitstempel
  • Fahrtrichtung
  • letzte drei Positionen laut GPS/Galileo
  • [Optional] Zahl der geschlossene Sicherheitsgurte als Hinweis auf die Anzahl der Passagiere

Durch diese sehr eingeschränkte Daten, auf die auch penibel geachtet werden, dass das verbaute eCall-System nicht mehr sendet, soll der Datenschutz gewahrt bleiben.

Vor und nach dem Unfall findet keine Übertragung von Daten statt. Die gesendeten Daten werden nicht gespeichert und nur zur Koordination des Rettungseinsatzes verwendet

Achtung: Wer den eCall-Baustein seines Autos ausbaut, um zu schauen, welche Daten wirklich übertragen werden, der verliert die Betriebserlaubnis seines Autos im öffentlichen Straßenverkehr!

Die Systeme einiger Autohersteller wie BMW oder Mercedes bieten über die standardmäßigen Funktionen des eCall-Systems hinaus noch weitere Funktionen. Bei diesen Systemen werden die persönlichen Daten unter Umständen gespeichert, um diese Funktionen zu unterstützen.

Die Effektivität des Systems

Eine witzige Bestätigung der Effektivität des eCall-Systems lieferte der TÜV Ende 2007 in Köln. Ein Vorgänger des jetzigen Systems war in einem Auto verbaut, was für einen Crash-Test verwendet wurde. Das Auto fuhr mit hoher Geschwindigkeit gegen ein Hindernis, die Airbags lösten aus und die Rettungskräfte wurden gerufen. Diese waren etwas verdutzt, als sie wenige Minuten später mit voller Montur im TÜV Testgelände standen und die Umstände des „Unfalls“ mitgeteilt bekamen.

Fazit

Das eCall-System ist mittlerweile ein von der EU vorgeschriebener Sicherheitsstandard. Durch die schnelle Meldung der Unfalldaten an die Rettungskräfte können Einsätze schneller, gezielter und sicherer durchgeführt werden. Fahrzeuge, die ein entsprechendes System noch nicht verbaut haben, können das kostengünstig nachrüsten lassen. Der Betrieb des Systems ist kostenlos, die Integrität der übermittelten Daten wird garantiert.

Quellen und Verweise

  • 1c’t Ausgabe 22 vom 13.10.2018 – eCall: Hilfe im Falle des Knalles – Wie eCall wirklich funktioniert

Bildquelle: Pettycon/pixabay.com

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