Die Tachomanipulation ist eine absolut gängige Betrugsform beim Verkauf von Gebrauchtwagen, allein, es ist kein Kavaliersdelikt. Den Tachostand nach unten zu „drehen“ kostet heute weder Zeit noch Mühe, kann aber den Verkaufspreis um mehrere Tausend Euro anheben. Doch für den Käufer bedeutet diese Maßnahme einen erheblichen Betrug, nicht nur mit Blick auf das verlorene Geld, sondern auch hinsichtlich der Verkehrssicherheit, wähnt sich der Käufer doch, in einem relativ neuen Auto unterwegs zu sein, in Wahrheit sind aber viele Teile deutlich stärker verschlissen als angenommen. Wer einen Gebrauchtwagenkauf beabsichtigt, ist gut beraten, auf die im Folgenden beschriebenen Indizien auf eine Tachomanipulation zu achten.
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Was ist eine Tachomanipulation?
Wenn ein Fahrzeug langfristig auf einen anderen Felgen- beziehungsweise Raddurchmesser umgerüstet wird, hat dies einen nicht unerheblichen Einfluss auf die Wegezahl des Tachometers. Daher sollte in einem solchen Fall eine Tachoeinstellung oder Tachojustierung vorgenommen werden. Es ist plausibel, dass bei kleinerem Reifenumfang mehr Radumdrehungen und bei größerem Raddurchmesser weniger Umdrehungen für eine bestimmte Strecke erforderlich sind. Der Gesetzgeber hat für die Länder der EU vorgesehen, dass ein Tacho nicht nachgehen darf und maximal eine um zehn Prozent plus vier Stundenkilometer zu hohe Geschwindigkeit anzeigen darf.
Bei älteren Tachos, die die Geschwindigkeit noch mechanisch über Wellen gemessen haben, wurde ein Zwischengetriebe mit einer entsprechend berechneten Übersetzung zwischengeschaltet. Eine andere Maßnahme bestand im Austausch der Feder, um eine besser angepasste Federsteifigkeit zu realisieren. Ein sogenannter Tachoangleichungsdienst bietet genau diesen Service auch heute noch an.
Ein moderner Tacho ist eine Komponente eines Kombi-Instruments und zeigt die Geschwindigkeit via Schrittmotor an, dessen Ansteuerungssignale gegebenenfalls anzupassen sind. Diese Art der Tachojustierung wird heute sehr einfach mithilfe eines Fahrzeugdiagnosecomputers vorgenommen. Da der Tacho und der Kilometerzähler in einem direkten Zusammenhang stehen, wirkt sich die Tachojustierung unmittelbar auf den Kilometerstand aus.
Allerdings wird der Begriff „Tachojustierung“ fälschlicherweise auch gern für die strafbare Tachomanipulation verwendet, bei der lediglich der Wegstreckenzähler einer Reduzierung unterzogen wird. Eine Änderung des Kilometerstandes ist aber zu Reparatur- und Korrekturzwecken innerhalb definierter Grenzen sehr wohl rechtlich zulässig. Gemäß § 22b Abs. 1 Nr. 1 des Straßenverkehrsgesetzes ist jegliche Manipulation an Tachos, zum Beispiel zur Gewinnerhöhung beim Verkauf eines Fahrzeugs verboten. Dies gilt selbstverständlich ebenfalls für Leasing- oder Mietfahrzeuge.
Warum manipulieren manche Leute den Tacho?
Die Zahl 100.000 stellt beim Kilometerzähler eines Gebrauchtwagens eine Art psychologische Hürde dar. Autos, die weniger anzeigen, können zu deutlich höheren Preisen verkauft werden als vergleichbare Fahrzeuge, die auch nur geringfügig darüber liegen. So nimmt es nicht Wunder, dass Tachomanipulationen sogar in Deutschland zu einer Art Volkssport geworden sind. Man kann davon ausgehen, dass bundesweit heute ungefähr jedes dritte Gebrauchtfahrzeug davon betroffen ist.
Elektronisch ist dieses Unterfangen leicht gemacht, der gerichtsfeste Nachweis des Betruges ist dagegen sehr schwer. Experten gehen davon aus, dass der gesamte jährliche Schaden aufseiten der rund zwei Millionen Gebrauchtwagenkäufer bei circa sechs Milliarden Euro anzusiedeln ist. Das heißt, dass jeder Betroffene im Durchschnitt um 3.000 Euro betrogen wird.
Wie läuft die Tachomanipulation ab?
Die alte Kilometerwalze, die einst mit der Bohrmaschine zurückgedreht wurde, ist der elektronischen LCD-Anzeige gewichen. Heute ist es möglich, jeden beliebigen Kilometerstand per Computer und Spezial-Software in Sekundenschnelle am Fahrzeug einzustellen. In einem modernen Auto ist der Kilometerstand in verschiedenen Steuergeräten hinterlegt. Das Diagnosegerät wird an die Onboard-Diagnosebuchse (OBD) angeschlossen, um den Kilometerstand entweder nur in einem oder mehreren Steuergeräten zu überschreiben. Sogenannte „reisende Dienstleister“ tun dies gern und oftmals sogar „preiswert“ bei konspirativen Treffen vielleicht auf einer Autobahnraststätte. Im Internet werden dafür geeignete, handliche Geräte, die etwas an ein älteres Handy erinnern, für gut 100 Euro unter den Bezeichnungen „Diagnosegerät“ oder „Tachojustierer“ angeboten.
Und so läuft das Prozedere ab: Der Stecker des Manipulators kommt in die Buchse neben dem Lenkrad. Auf dem kleinen Bildschirm erscheinen „Menu Nr. 5“ und „Odometer adjust“. Der aktuelle Tachostand wird beispielsweise mit 238.000 angezeigt. Ein paar Knopfdrücke und schwups, da steht schon 94.000 Kilometer. Das soll so reichen, fertig, Stecker wieder abziehen.
Kann man eine solche Tachomanipulation erkennen?
Im Durchschnitt wird ein Fahrzeug in Deutschland gut 12.000 Kilometer pro Jahr bewegt. Vielfahrer wie Pendler erreichen mit ihrem Diesel auch mehr als 20.000 Kilometer pro Jahr. Wenn also beispielsweise ein sechsjähriger Mercedes-Diesel im Angebot ist, der deutlich unter 70.000 Kilometer auf dem Tacho hat, sollte es eine überzeugende Erklärung dafür geben, warum das Fahrzeug so wenig bewegt wurde.
Für die meisten Fahrzeuge liegen Dokumentationen über die Service- und Wartungshistorie vor. Diesen Unterlagen ist zu entnehmen, welche Wartungen und Reparaturen wann bei welchem Kilometerstand durchgeführt worden sind. Hier sollte eine gewisse, logische Stringenz erkennbar sein. Auch wenn es für die letzten Jahre keine diesbezüglichen Informationen mehr gibt, lässt sich zumindest die maximale Größenordnung einer möglichen Kilometerschraube halbwegs abschätzen. Insofern sind alle Rechnungen für Wartungen und Reparaturen, die AU- und TÜV-Berichte, sogar Tankbelege mit Kilometerständen bei einer Tankkarte, Eintragungen im Serviceheft sowie die Ölwechsel-Anhänger sehr aufschlussreich.
Es kommt immer wieder vor, dass ein älteres Fahrzeug mit hohem Kilometerstand billig gekauft wird, um es sogleich nach der Tachomanipulation wesentlich teurer weiter zu verkaufen. Falls also der letzte Eigentümer erst seit Kurzem im Fahrzeugbrief steht, empfiehlt sich eine Kontaktaufnahme mit jenem Eigentümer, der noch davor eingetragen ist. Er gibt in aller Regel eine ehrliche Auskunft über den Kilometerstand zum Zeitpunkt seines Verkaufs.
Auch die allgemeinen Gebrauchsspuren am Fahrzeug sollten plausibel zum Kilometerstand passen. Dies betrifft das Erscheinungsbild von Schaltern, des Lenkrades, der Sitze sowie der Pedalen. Gerade die Abgegriffenheit des Lenkrades verrät vieles. Daher ist es sehr zu empfehlen, sich nach Möglichkeit von einem befreundeten Automechaniker zum Fahrzeugkauf begleiten zu lassen. Seine gezielten Fragen an den Verkäufer werden dessen Verunsicherung sofort transparent machen.
Mit dem eigenen Diagnosegerät lassen sich unterschiedliche Angaben in den verschiedenen Steuergeräten schnell entlarven. Bei den Verkaufsanzeigen steht immer wieder zu lesen: „Kilometerstand abgelesen“ oder „Kilometerstand laut Tacho“. Diese Formulierungen sind gezielt so unverbindlich gewählt. Spätestens im Kaufvertrag sollte die „tatsächliche Laufleistung“ aufgeführt sein. Stellt sich später heraus, dass diese Angabe so nicht stimmt, kann der Fahrzeugkauf aus rechtlicher Sicht vollständig rückabgewickelt werden.
Möglichkeiten zur Vermeidung des Tachobetrugs
In Belgien ist der sogenannte Car Pass eingeführt worden. Dieser ist dem Gebrauchtwagenkäufer unaufgefordert vorzulegen. Das Dokument belegt die vollständige Kilometerstandshistorie unter anderem im Hinblick auf die Inspektionen. Die zentrale Registrierung derartiger Kilometerstandsdaten ist in Belgien gesetzlich vorgeschrieben. Ähnlich verhält es sich in den USA. Sämtliche Zulassungs-, Unfall- und Reparaturdaten werden dort in Verbindung mit den Kilometerständen zentral durch die Firma Carfax erfasst. Der „Lebenslauf“ jedes Fahrzeuges kann so, basierend auf der Fahrgestellnummer, öffentlich im Internet eingesehen werden.
In Deutschland gibt es diesbezüglich aber noch zu viele Bedenkenträger mit Blick auf den Datenschutz. Geheimniskrämerei ist hierzulande leider wichtiger als der Schutz vor Betrug. Mit den HSM-Chips (Hardware Security Module), die derzeit in den Fahrzeugsteuergeräten verbaut sind, könnte der Tachobetrug ein jähes Ende finden. Doch noch darf die bereits vorhandene Technik dafür nicht genutzt werden.